Umgang mit Angst vor Corona

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Corona-Virus: Der Umgang mit der Angst

Hamsterkäufe zeigen den Grad der Beunruhigung von Teilen der Bevölkerung angesichts der Corona-Epidemie. Der Krisenpsychologe Marc Stein erklärt Bewältigungsstrategien.

Marc Stein ist Doktor der Psychologie und hat den psychologischen Dienst der Polizei mit aufgebaut: Dieser Dienst deckt verschiedene Arbeitsfelder von klinischer Psychologie über Arbeits- und Organisationspsychologie bis zu Kriminologie und Krisenbewältigung ab. Stein ist zudem seit 2005 Mitglied im europäischen Komitee für Katastrophen-, Krisen- und Traumapsychologie.

Marc Stein, Hamsterkäufe und Handgreiflichkeiten in den Supermärkten gehören eher nicht zum gewohnten Alltagsbild in Luxemburg. Wie entstehen solche Reaktionen? 

Ich denke, dass wir es im Moment objektiv betrachtet mit einer übertriebenen Ängstlichkeit in der Bevölkerung zu tun haben. Es ist die normale Reaktion auf ein Phänomen, das man nicht kennt. Wir haben es hier mit einer Situation zu tun die wirklich besonders ist, weil die Menschen es nicht richtig verstehen und deshalb Angst entwickeln. Was jetzt fehlt, ist die gewohnte Sicherheit. Passiert uns etwas im Ausland, kehren wir ins sichere Zuhause zurück. Doch diese Sicherheitsblase besteht zurzeit nicht mehr, weil ich mich auch zuhause oder im Freundeskreis anstecken kann. Leider wird diese Überreaktion zum Teil noch durch permanente Medienbeschallung verstärkt.

Nun ist Panik ja meist keine konstruktive Haltung. Welche Empfehlungen würden Sie denn aussprechen?

Zuerst sollte man als Medien versuchen, die Leute korrekt zu informieren. Man sieht jetzt Fotos von Menschen in Schutzanzügen oder Patienten die aufgereiht in der Notaufnahme liegen. Das ist selbstverständlich ein Teil dieser Wirklichkeit, aber es betrifft nur rund ein Prozent der Menschen. Wichtig ist es deshalb, die Information immer in den richtigen Bezug zu setzen.

Man muss die Fakten benennen, ja, aber man kann auch hervorstreichen, dass in China mittlerweile wieder 60.000 Menschen genesen sind. Man sollte also immer wieder deutlich machen, dass die Mehrheit der Menschen überhaupt keine oder nur leichte Symptome zeigen werden und dass es für eine kleine Minderheit zum echten Problem wird. Nehme ich als Parallele die Suizidberichterstattung, dann könnte man neben jede Meldung einen Vermerk mit den Hauptfakten und Zahlen veröffentlichen. Dann kann jeder sich noch einmal einen sachlichen Überblick verschaffen.

Der fehlende Kontext führt also zu emotionalen Überreaktionen?

Genau. Die saisonale Grippewelle verursacht jedes Jahr rund 60.000 Tote. Wir nehmen das später als Bilanz zur Kenntnis, aber haben wir uns deswegen jemals wirklich Sorgen gemacht. Ich habe nicht den Eindruck, dass wir uns 2015 oder 2017 darüber viele Gedanken gemacht haben. Man muss den Menschen also klar sagen: Der Großteil von uns wird wohl früher oder später Virusträger werden, aber die meisten werden das ganz gut verkraften. Man sollte diese Fakten immer wieder hervorbringen, aber ohne die Gefahr zu verharmlosen.

Die Hamsterkäufe lassen sich dann sicher auch psychologisch erklären?

Das Gefühl der Angst schaukelt sich auf, Falschinformationen zirkulieren und die Menschen beginnen dann irgendwann total auszurasten. Das ist wie bei einer Panikbewegung: Jeder schaut nur noch nach sich selbst und will sofort raus. Mit dem Altruismus ist es dann schnell vorbei. Aber es gibt ihn auch in diesen Situationen noch. Dabei besteht ja überhaupt keine konkrete Gefahr eines Zusammenbrechens der Lebensmittelversorgung. Es entsteht also eine grundlose Panikstimmung, die niemandem nützt. Und der Solidaritätsgedanke geht flöten.

Unter der dünnen zivilisatorischen Decke zeigen sich also die reinen Instinkte?

So ist es. Nur, dass sie hier nicht angebracht sind da wir nicht in einer akuten Notsituation wie nach einem Bombenanschlag oder einem Brand stecken. Zum Glück gibt es aber Menschen, die auch in dieser Situation die Ruhe bewahren und anderen helfen.

Wie soll man mit einer eventuellen Quarantänezeit zu Hause umgehen damit sie nicht zur Belastung wird?

Vor allem sollte man eine solche Quarantäne nicht von vornherein als etwas Negatives betrachten, sonst könnten es 14 anstrengende Tage werden. Wenn wir uns aber den Sinn der Quarantäne vor Augen führen, also andere Menschen zu schützen, dann wird diese Phase schon viel erträglicher. Allein die Sinngebung ist bereits wichtig.


Lokales, Coronavirus, Covid-19, Cactus Howald, Foto: Chris Karaba/Luxemburger Wort
Hamsterkäufe: „Keine Engpässe bei der Belieferung“

Dann sollte man diese Tage unbedingt strukturieren, um ihnen einen Sinn zu geben. Das kann ein Trainingsprogramm morgens um acht sein, dann ein gutes Frühstück. Ein geregelter Tagesablauf ist enorm wichtig für die mentale Hygiene. Man kann sich sogar einen Plan für die 14 Tage erarbeiten und gewisse Dinge festlegen. Eine große Hilfe sind sicherlich das Internet und die sozialen Medien, über die man mit anderen Menschen kommunizieren kann. Zudem kann man Dinge tun, die man schon längst tun wollte: Videospiele, Netflix, vielleicht ein Instrument erlernen oder über eine App eine Fremdsprachenkenntnis verbessern. Jetzt darf man ja endlich all das tun, was man sonst nie konnte.

Und wenn trotzdem dunkle Gedanken auftauchen?

Man kann sich da eine Strategie zurecht legen und sich jeden Tag eine halbe Stunde für negative Gedanken gönnen. Da kann man dann alles zulassen, aber für den Rest des Tages sind sie tabu. Zudem sollte man sich nicht zu sehr von den Medien treiben lassen. Insbesondere die sogenannten Corona-Ticker oder Breaking News-Nachrichtensendungen machen die Menschen regelrecht verrückt. Man kann die News zwei mal am Tag checken, aber dann sollte es auch gut sein.

Quelle des Artikels: www.wort.lu/de


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